Kritische Stimmen

Mit NIPT als Kassenleistung bedienen wir als Gesell schaft die Ängste schwangerer Frauen, die das vorgeburtliche Suchen (und Vernichten) als Normalität geschaffen hat. Das nennt sich dann Vorsorge. Danke. Nein.

Margaretha Kurmann hat das Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik mitgegründet.

Speziell gegen den Test auf Down-Syndrom. Den gibt es ja leider schon. Aber die Diskussion geht natürlich weiter. Die werdenden Mütter müssen meiner Meinung nach eine bessere Beratung erhalten. Denn wenn sie die falsche Beratung kriegen, dann bekommen sie Panik und Angst und denken: "Oh Gott, behindertes Kind, bloß nicht, bloß abtreiben!" Da muss es ein Programm geben, das man mit den Müttern gemein- sam aufstellt, wie sie den Kindern dann helfen können. Es geht darum, ihnen Mut zu machen. Deshalb habe ich ja auch mein Buch geschrieben, "Am liebsten bin ich Hamlet. Mit dem Downsyndrom mitten im Leben", das ist auch sozusagen ein Mutmach-Buch, das noch einmal klarstellt, was ich für ein schönes Leben habe, als Behinderter. Mein Rat an die Mütter ist: Habt Mut! Sie sollen sich auch selber gegen die Bluttests wehren und ihr Kind aufnehmen, so wie es ist.

Sebastian Urbanski ist seit Januar 2019 das erste Mitglied im Lebenshilfe-Vorstand mit Downsyndrom. Der Theaterschauspieler möchte Menschen mit Behinderung Mut machen, ihren Weg zu gehen.

Ich würde mir wünschen, dass wir grundsätzlich viel mehr beraten müssen. Gerade auch Beratung darüber, Dinge nicht zu tun. Das ist ja die viel größere Kunst, auch mal Dinge zu unterlassen.

Holger Maul ist Chefarzt im Asklepios Klinikums in Hamburg-Barmbek.

Wir kritisieren an der Praxis der pränatalen Diagnostik nicht in erster Linie einen möglichen Schwanger- schafts abbruch, sondern bereits grundsätzlich die Suche nach Abweichungen und die dahinterstehenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Während die »Lebensschützer« Pränataldiagnostik meist als direkte Diskriminierung des »ungeborenen Kindes« bezeichnen, verstehen wir im Netzwerk im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention selektive Unter suchungen als ›schädliche gesellschaftliche Praktiken‹, die Menschen mit Behinderungen mit Lebens werturteilen überziehen und die bedingungslose Annahme von Menschen, die in diese Welt geboren werden, in Frage stellen.

Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik (Juni 2017)

Bei meiner Arbeit sehe ich viele Eltern, die den Eindruck gewonnen haben, sie hätten nur eine Option bei der PND, nämlich möglichst alle angebotenen Untersuchungen wahrzunehmen. Oft haben sie wenige oder gar keine Hintergrundinformationen erhalten. Ich finde es immens wichtig, dass werdende Eltern gerade auf diesem Gebiet so gut wie nur möglich aufgeklärt werden, um dann eine informierte Entschei- dung zu treffen. Oft wählen Eltern die Blutuntersuchung, weil sie so eine Fruchtwasseruntersuchung vermeiden wollen. Ihnen ist nicht klar, dass im Fall eines positiven Befundes die Fruchtwasseruntersuchung der nächste Schritt ist, der auf sie zukommt, und zwar (in Anbe- tracht der hohen Rate der positiven Ergebnisse) mit relativ großer Wahrscheinlichkeit. Ich befürchte, dass bei einer Kassenzulassung der gesellschaftliche Druck wächst, diese Diagnostik nicht nur durchführen zu lassen, sondern Kinder mit einer Genanomalie dann auch abzutreiben. Gerade in Deutschland sollten wir uns vor der Hintergrund unserer Geschichte sehr auf der Hut sein vor allen Schritten, die in Richtung Selektion gehen.

Claudia Sutter ist als Hebamme tätig.