Die AG Partizipation

Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können

(Abraham Lincoln) 

Wie alles begann

Wie so oft entsteht Gutes oft ungeplant und einfach aus dem Gefühl heraus: wir müssen da was machen. Genauso war es mit der Gründung der AG Partizipation – ursprünglich mit dem langen Titel: Partizipation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Stadt Hagen

Ausgangslage

Es gibt in Hagen auf kommunaler Ebene unterschiedliche Gruppen, in denen es um die Belange behinderter Menschen geht. Es gibt seit 1979 den Beirat für Menschen mit Behinderung in dem, neben den Parteien und Wohlfahrtsverbänden, verschiede Betroffene mit unterschiedlichen Behinderungen vertreten sind. Entsandt werden diese von den einzelnen Organisationen. Vom Beirat für Menschen mit Behinderung werden Mitglieder in verschiedene Gremien gewählt: in den Sozialausschuss, die Gesundheitskonferenz, die Regionalplanungskonferenz, den Beirat des Jobcenters, die Veranstaltergemeinschaft von Radio Hagen und in diverse weitere Arbeitskreise, zum Beispiel in den Arbeitskreis Bauen und Verkehr. Weiterhin gibt es die Aktion „Hagen barrierefrei“. Dort werden Geschäfte, Praxen, Büros und sonstige Einrichtungen nach bestimmten Kriterien zertifiziert. Somit entsteht der Eindruck, dass in Hagen Menschen mit Behinderung vielfältige Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten haben. Die Interessen der Menschen mit Behinderung, z. Zt. ca. 26.000 Bürger mit einer anerkannten Behinderung, sind inzwischen in so vielen Gremien und Arbeitskreisen wie noch nie in Hagen vertreten.


Bei genauer Betrachtung wird aber deutlich, dass in den meisten Gremien Fachleute aus dem Sozialbereich und der Politik federführend sind.  Bei einer Überprüfung der Wortbeiträge im Beirat für Menschen mit Behinderung fällt auf, dass sich kaum Mitglieder mit Behinderungen, die sie in ihrer Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigt sind, zu Wort melden. Überwiegend sind es auch hier die Vertreter der Verbände und der Parteien. Weiterhin vereinzelte Mitglieder, die chronische Erkrankungen haben, die sich aber nicht auf die Denk- und/oder Kommunikationsfähigkeit auswirken. Auch bei der Entsendung in wichtige Gremien, wie zum Beispiel den Sozialausschuss, Lenkungsgruppen und diverse Arbeitskreise, fällt auf, dass diese Aufgaben oftmals vom Vorsitzenden des Beirates wahrgenommen werden. Je nach Arbeitskreis werden auch Menschen mit Behinderung entsandt. Auch dort ist beobachten, dass eine aktive Mitarbeit oftmals an die beschriebenen Grenzen stößt. Behinderte Mitglieder müssen oftmals überredet werden, sich überhaupt an den Arbeitskreisen zu beteiligen. In jedem dieser Kreise stellen Menschen mit Behinderung eine verschwindende Minderheit da. Daher kann in diesen Kreisen nicht davon gesprochen werden, dass es eine faktische Mitsprache der Betroffenen gibt.


Aus diesen unterschiedlichen Gremien kannten sich die Personen, von unterschiedlichen Trägern, der Stadt Hagen, der FH – Dortmund usw. In verschiedenen Gesprächsrunden, die für alle offen waren und an den selbstverständlich auch Menschen mit Behinderung teilnahmen, wurde die Ursachen dieses Missverhältnisses herausgearbeitet:


Politische Arbeit, sei es in Beiräten, Ausschüssen, Gremien erfolgen nach bestimmten Spielregeln, für die die jeweiligen Vertreter bestimmte Grundfähigkeiten mitbringen müssen, um erfolgreich arbeiten zu können. Es beginnt bei der Fähigkeit, sich möglichst gut verbal ausdrücken zu können, Sachkenntnis ist erforderlich, ebenso wie Kenntnisse über politische Vorgänge. Es ist Durchsetzungsvermögen erforderlich und der Vertreter sollte keine Hemmungen vor kommunalen Autoritäten haben. Die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden. Die kommunalen Strukturen sind nicht inklusiv und schon gar nicht barrierefrei. Um daher erfolgreich arbeiten zu können, bedarf es zurzeit noch Vertreter mit entsprechenden Fähigkeiten, deren Aufgabe es aber sein muss, sich im Vorfeld von Sitzungen bei den Betroffenen in einem angemessenen barrierefreien Setting zu informieren und auch zu legitimieren. Verschiedene Modelle hierfür wurden diskutiert und wieder verworfen. Oftmals wäre der zeitliche Aufwand so hoch, dass er von den oft ehrenamtlich Tätigen nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Problem erkannt – wie ging es weiter

Am 15.09.2017 erfolgte in einer großen Veranstaltung in der Caritas-Werkstatt für Menschen mit psychischen Behinderungen mit Vertretern aus Politik, von Verbänden, der Stadt Hagen und Menschen mit verschiedenen Behinderung, die Gründung der AG-Partizipation.


Es wurde ein offener Stammtisch gegründet, der an jedem ersten Dienstag im Monat von 18 Uhr bis ca. 19.30 Uhr stattfindet. Auf diesem Stammtisch werden die Themen niederschwellig besprochen, die den Menschen mit Behinderung unter den Nägeln brennen. Die Themen reichen vom ÖPNV, über fehlende barrierefreie Wohnungen bis hin zu allgemeinen politischen Fragen. Hierzu werden in unregelmäßigen Abständen Gäste zu einem informellen Gespräch eingeladen. Auf diesem Stammtisch erfolgt dann auch die geplante Beauftragung der Fachleute und Mandatsträger, sich für bestimmte Themen einzusetzen. Ebenso erfolgt auf dem Stammtisch die entsprechende Rückkopplung. Bisher hat sich dieses Format gut bewährt.


So entwickelte sich die AG Partizipation schnell zu einer losen Gruppierung, an der in Hagen niemand mehr vorbeikommt.Unser Engagement blieb nicht unentdeckt. So erhielten wir 2018 den Integrationspreis des LWL


Inzwischen haben wir eine Geschäftsführung (Stadt Hagen), einen eigenen Briefkopf, Flyer, eine Steuerungsgruppe und eine Homepage. Und trotzdem sind wir ein loser Zusammenschluss geblieben, von Menschen, die die Mitsprache und Teilhabe von und mit Menschen mit Behinderung voranbringen wollen und werden!

Kontakt

Meinhard Wirth

Tel. 02331 358812

m.wirth@caritas-hagen.de