Gegen das Vergessen!

Projekt zur Aufarbeitung behördlicher Gräueltaten während der NS-Diktatur

Sich mit der eigenen Verantwortung während der NS-Diktatur auseinandersetzen, die Schuld daran anerkennen und sich angemessen für das Geschehene entschuldigen: Mit der Zielsetzung, behördliche Gräueltaten während der NS-Diktatur in Hagen aufzuarbeiten, hat die Caritas eine Projektförderung bei „Aktion Mensch“ eingereicht. Gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt Hagen, dem Hagener Geschichtsverein und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit einer Behinderung sowie Studierenden der Fachhochschule Dortmund soll im Rahmen eines Projektes die Verantwortung städtischer Institutionen während des Regimes aufgearbeitet werden. Das Ziel: Einen angemessenen Ort des Gedenkens schaffen, eine fortlaufende Information der Öffentlichkeit organisieren und pädagogische Konzepte erarbeiten.

 

Auch interessierte Hagenerinnen und Hagener sind herzlich zur Beteiligung an dem Projekt eingeladen. Am Dienstag, 20. Februar, um 15 Uhr erfolgt im Gesundheitsamt der Stadt Hagen, Berliner Platz 22, in Raum A.225 der offizielle Projektstart. Weitere Informationen erhalten Interessierte bei Friedrich Schmidt, Bereichsleiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Hagen, unter Telefon 02331/207-3554 sowie per E-Mail an friedrich.schmidt@stadt-hagen.de.

Hartmut Stadtler, ermordet 1942

Hintergrund des Projektes

Bislang fehlt in Hagen eine angemessene Erinnerung an jenes Unrecht, das Menschen mit einer Behinderung während der nationalsozialistischen Diktatur erfahren haben. Hierzu gehören die behördlich verfügte Patiententötung (sogenannte Euthanasie), die Zwangssterilisation sowie die Zwangsabtreibung. Auch andere marginalisierte Gruppen wie Homosexuelle, Wohnungslose sowie Sinti und Roma wurden durch die Behörden verfolgt. Mittlerweile ist das gesamte Ausmaß der genannten Gräueltaten geschichtswissenschaftlich erfasst und die Einzelfälle sind belegt. Da gerade in Hagen besonders viele Menschen mit einer Behinderung Opfer nationalsozialistisch motivierten staatlichen Unrechts geworden sind, besteht eine besondere Verpflichtung, diese Schuld einzugestehen und der Opfer würdig zu gedenken.

Städtische Einrichtungen mit in der Verantwortung

Die Hauptschuld an den aufgearbeiteten Taten trägt zu großen Teilen die damalige Gesundheitsverwaltung der Stadt Hagen. Ohne das Handeln der Fürsorgerinnen und der Ärzte, einschließlich der damaligen Leitung des Gesundheitsamtes Hagen, wäre es nicht möglich gewesen, so viele Menschen einer Sterilisation oder Patiententötung zuzuführen oder auszugrenzen. 1933 begann die erbbiologische Erfassung der gesamten Hagener Bevölkerung. Eine tragende Rolle in der Selektion sowie der Familienforschung – damals noch als Sippenforschung bezeichnet – trug das Gesundheitsamt. Es erfasste systematisch unter anderem Informationen über Erkrankungen, schlechte schulische Leistungen, Unfälle, Arbeitslosigkeit, psychische Störungen, Vorstrafen und das Sexualleben von Hagenerinnen und Hagenern. Hierfür wurden unter anderem große Archivräume beschafft, Mitarbeitende eingestellt sowie unzählige „Ermittlungen“ eingeleitet.

Aktenbestand dokumentiert Gräueltaten

Heute besitzt das Gesundheitsamt eine Liste mit fast 1.000 sogenannter „Erbgesundheitsakten“, bei denen es um Zwangssterilisationen ging. Der Aktenbestand des Erbgesundheitsgerichts von etwa 5.500 Einzelfallakten wird im Stadtarchiv aufbewahrt. Bis heute haben die damals betroffenen Menschen sowie ihre Familien keine angemessene Entschuldigung beziehungsweise Anerkennung ihres unermesslichen Leides erfahren. Die Überlebenden der Zwangssterilisation litten ihr gesamtes Leben unter den körperlichen und psychischen Folgen, Anträge auf Entschädigungen wurden fast ausnahmslos abgelehnt. Häufig waren die Ärzte in den Verfahren die gleichen Personen, die für die Sterilisation verantwortlich waren. Weder sie noch die Fürsorgerinnen wurden hierfür jemals zur Verantwortung gezogen. Sie durften oft sogar im Amt bleiben, erhielten für ihre Arbeit teilweise Auszeichnungen oder konnten ihre beruflichen Karrieren in anderen gesundheitlichen Tätigkeitsfeldern fortsetzen.

 

Im Rahmen der Aufarbeitung wurde 2018 das Buch „Vergessene Opfer. NS-Euthanasie in Hagen" vorgestellt. 303 Hagener Bürger konnten als Opfer identifiziert werden. 2019 folgte „Vergessene NS-Opfer. Zwangssterilisationen in Hagen“, in dessen Zuge auch die Ausstellung „Behinderung im Wandel der Zeit“ stattfand. Hauptakteure waren die FH Dortmund (mit dem Hagener Professor Dr. Michael Boecker), die Caritas (mit Meinhard Wirth) und das Rahel Varnhagen Kolleg (mit Pablo Arias Meneses).


Projektträger

Caritasverband Hagen e.V.

Bergstraße 81, 58095 Hagen

Vorstand: Rolf Niewöhner, Torsten Gunnemann

www.caritas-hagen.de


Caritasrat

Prof. Dr. Michael Boecker (Vors.)

Helmut Schocke (stellv. Vors.)


VR 1126 Amtsgericht Hagen

Projektleitung

Dipl. Soz. Arb. Meinhard Wirth M.A.

Kooperationspartner

Gesundheitsamt

Dr. Anjali Scholten

Friedrich Schmidt


Hagener Geschichtsverein e.V. 

Pablo Arias Meneses

Rudolf Damm 

Walter Möller 

Rainer Stöcker


Fachhochschule Dortmund

Prof. Dr. Michael Boecker

Wissenschaftliche Begleitung

Anna Arias Viebahn

Martina Viebahn, M.A.

Grafik Design und künstlerische Begleitung

Christof Becker

Tim Deckert

Kontakt

Dipl. Soz. Arb. Meinhard Wirth M.A. · m.wirth@caritas-hagen.de